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Geschichten, die das Leben Schreibt 01

Geschichte Info
Nach dem Wolkenbruch Teil 1.
8.1k Wörter
4.65
105k
14

Teil 1 der 2 teiligen Serie

Aktualisiert 09/19/2022
Erstellt 05/22/2014
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Ein kleines Vorwort :

Die interessantesten Geschichten schreibt das Leben und folgende Geschichte hat sich vor knapp 7 Jahren wirklich so ereignet. Sie ist einem guten Freund von mir passiert und keine „Männerphantasie". Ich habe die Geschichte in enger Abstimmung mit den beiden Hauptakteuren geschrieben und -- auf Wunsch der Beiden -- nur so verändert, dass Beide nicht mal eben so erkannt werden können -- nur für den Fall, denn das Netz ist groß und wer weiß, wer hier alles so seine „Schmuddelgeschichten" liest -- oder schreibt ;-))) ).

Diese Geschichte ist eine erotische Geschichte; es geht um das "Erste Mal". Es dauert ein Weilchen, aber irgendwann geht es dann doch irgendwie zur Sache.

Auch wenn es längere Zeit so den Anschein haben mag, handelt es sich ausdrücklich nicht um eine Geschichte aus der Kategorie „Schwule", aber mehr will ich hierzu nicht sagen (Weiterlesen empfohlen ;-))) ).

Es gibt authentische Gedichte und Texte in dieser Erzählung und eine Menge „Seelenpein" bevor es an die „Auflösung" und den erlösenden Sex geht. Also viel Spaß bei der Lektüre und bitte nicht in den Kommentaren herumlamentieren, ich hätte Euch nicht vorher gewarnt. ;-))) )

_________________________________

Sommer. Ein Freitag; es war gegen 17:00 und den ganzen Tag mit knapp 34 Grad sehr heiß und drückend. Dunkle Wolken kündeten von der nahenden Gewitterfront, die für den Abend vorhergesagt war. Die typische, sich anbahnende Weltuntergangsstimmung.

Ich war auf dem Weg nach Hause; ein langer Tag - viel zu lang, und ich war jetzt irgendwie völlig durchgeschwitzt und erschlagen. Das feuchte Sakko hatte ich achtlos auf die Rücksitzbank gepfeffert; die Krawatte ebenso.

Klimaanlage -- einen Nobelpreis für ihre Erfinder!!! Mein Sharan kroch über die Autobahn; „Stop & Go" Verkehr. Das Radio meldete vor mir 12 Kilometer Stau -- gut, dass mein Navi noch nicht reagiert hatte?!?

Zum Glück war ich häufiger hier in der Region unterwegs und kannte mich halbwegs aus. Die nächste Ausfahrt lag unmittelbar vor mir -- also Heimweg über die „Käffer". Ist auch gut.

Vielleicht hatte ja irgendwo auch ein Gasthaus offen. So langsam kam jetzt der Hunger und ein schönes kaltes alkoholfreies Hefeweizen -- das wär's jetzt.

Neben meinem eigenen Handwerksbetrieb, war ich auch als Meister regelmäßig für die IHK im Schulungsbereich unterwegs und heute hatte ich den ganzen Tag mit einigen Kollegen zusammen Prüfungen abgenommen.

Ein heißer unklimatisierter Raum, in dem die Luft trotz offener Fenster zum Schneiden war. Dem Wetter geschuldet, zogen sich ich Prüfungen eine gefühlte Ewigkeit hin. Drückende Schwüle, Hitze, aufziehende Gewitterstimmung und der Prüfungsstress - Keiner war heute gut drauf und das mekrte man auch an den Prüfungsergebnissen.

Aber zumindest im praktischen und mündlichen Teil konnten wir uns als Prüfungskomission, den äußeren Umständen angepasst, ein wenig nachsichtig zeigen.

Die Wolken wurden dichter. Hier und da platschte der eine oder andere fette Regentropfen auf die Windschutzscheibe. Am Horizont konnte man bereits das schnelle Aufleuchten sich entladender Blitze sehen. Toll -- Meine Stimmung hob sich nicht gerade bei dem Ausblick, mitten in ein schweres Gewitter hineinzufahren. Aber ich wollte schnell nach Hause.

Ich fuhr gerade durch einen kleinen Ort, als ich mitten auf einer Kreuzung ein paar Unfallfahrzeugen ausweichen musste. Ein Lieferwagen hatte wohl die Vorfahrt missachtet und einen Linienbus gerammt, der wiederum einen roten Kleinwagen gegen eine Hauswand gedrückt hatte.

Alle standen entspannt herum, es gab offensichtlich keine Verletzten und ich umkurvte die Unfallstelle.

Die Tropfen wurden jetzt mehr und der erste richtige Wolkenbruch kündigte sich an. Es donnerte bedrohlich und das Radio gab die Unwetterwarnung des Deutschen Wetterdienstes für die Region durch.

Am Ortsausgang war eine Bushaltestelle; offen und nicht überdacht. Dort stand eine alte Oma mit ihrem Rollator und wartete auf einen Bus, der nicht kommen würde.

Auch ein Junge stand dort mit Rucksack; er trug wohl so ein „Schlabbershirt" hinten mit Kapuze, die er sich jetzt mit den ersten ankommenden Tropfen, tief in die Stirn zog.

So ganz gegen meine Art, fuhr ich rechts an, stieg schnell aus, erzählte von dem liegen gebliebenen Linienbus und fragte die Beiden, ob ich sie mitnehmen solle.

Die Großmutter wirkte erleichtert und stimmte sofort zu. Sie wohnte drei Orte weiter und das lag sowieso auf meinem Weg. Ich geleitete sie zu meinem Beifahrersitz, half ihr beim Einsteigen, beim Anschnallen; öffnete die Heckklappe klappte den Rollator zusammen und legte ihn auf meine Sachen drauf.

Die ersten großen Hagelkörner tanzten springend über den Boden.

„Autsch!"

Eben traf mich auch einer -- die Dinger waren richtig groß und taten weh. Auch der Junge zuckte zusammen.

„Willst Du auch mit", fragte ich hin im Vorbeigehen.

„Klar, hier wird es gerade ungemütlich."

Er sprach ungewöhnlich tief und rauh, fast schon melodisch. Ich öffnete die hintere Tür auf der Beifahrerseite; er nahm seinen Rucksack ab -- es donnerte bedrohlich nahe -- er warf ihn locker auf die Rückbank hinter dem Fahrersitz und stieg schnell ein.

Glücklich setzte ich mich hinter das Steuer, schloss die Tür, startete den Wagen und fuhr los.

Die Alte war ebenfalls glücklich und rief sogleich ihren Enkel zu Hause an, damit er ihr in wenigen Minuten bei unserem Eintreffen behilflich sein konnte.

Wir fuhren vor dem Gewitter her und je schneller alles ging, desto weniger würde sie nass werden. Gutes Timing war alles.

„Und wo musst Du hin, Junge?"

„Eigentlich nach Mespelbrunn. Ist die letzte Haltestelle für den Bus. Aber wahrscheinlich wollten Sie nicht so weit fahren."

Mespelbrunn -- das waren noch gut 20 Kilometer Landstraße. Ich betrachtete ihn kurz über den Rückspiegel.

Der Junge zog seine Kapuze wieder über die Schultern. Ein fast weißblonder Pagenkopfschnitt. Ziemlich junger Typ. So ungefähr 1,56 groß, die Statur schwer abzuschätzen, da er sich im weitem Schlabberlook gekleidet hat. Kleines rundes Gesicht, Pausbacken und Stupsnase. Irgendwie wirkte er sympathisch, wenn auch ein wenig feminin.

„Du hast Recht. Ich wollte schon ein gutes Stück vorher wieder auf die Autobahn auffahren. Ich umfahre gerade den Baustellenstau auf der A 3. Aber ich fahre Dich nach Mespelbrunn. Bei dem Wetter fahre ich Dich direkt nach Hause.

Einen Ort weiter in Heimbuchtental ist doch der Gasthof „Lamm". Ich glaube das passt jetzt sehr gut. Ich bekomme eh gerade einen richtig guten Hunger."

„Ja, das Lamm ist ziemlich bekannt und sehr gut. Ich danke Ihnen. Der nächste passende Bus ginge erst in 2 ½ Stunden und wo soll ich bei dem Wetter warten? Mein Betrieb hat jetzt zu."

„Oh, wo arbeitest Du denn?"

„Ich mache eine Ausbildung hier bei WERO. Wir stellen Fenster und Türen her. Wir fahren gerade vorbei."

Das Gespräch mit dem Jungen schlief etwas ein. Ich sprach etwas mit der dankbaren Alten, sie beschrieb mir den Weg und dann waren wir auch schon da, das aufziehende Unwetter in unserem Rücken lassend.

Der Enkel stand auch schon parat. Ich lud den Rollator wieder aus, klappte ihn auseinander und übergab ihn der Alten, die sich überschwänglich bedankte und mit ihrem Enkel langsam in Richtung ihrer Haustüre tippelte. Den kleinen angebotenen Obolus lehnte ich lachend ab, der Junge setzte sich jetzt auf die Beifahrerseite und wenige Momente später waren wir wieder on Tour.

„Du machst Deine Ausbildung bei WERO? Als Fensterbauer? Ich habe auch einen Handwerkbetrieb in Kahl am Main. Wir haben uns auf die Restaurierung historischer Gebäude und Kirchen spezialisiert. Da gehören dann und wann auch Fenster dazu, aber eher alte Bleiglas- und Motivfenster. Ist noch richtige traditionelle Handwerkskunst ..."

So ging das Gespräch ein wenig hin und her. Der Typ war jung, aber nicht unintelligent und recht humorvoll. Es war ein ganz nettes und kurzweiliges Gespräch.

Er hatte eine für seine Größe und sein Alter recht raue, dunkle und angenehme Stimme und von seiner Wortwahl, seinem Sprachduktus, seiner Kleidung und von seiner Körpersprache her, war ich schon früh der Meinung, dass er wahrscheinlich schwul sein müsse; wirkte ein wenig tuntig.

Wohlgemerkt, ich hatte, als Hetero, wirklich keinerlei Vorbehalte gegen Schwule. Überhaupt nicht. Ein Angestellter und einer meiner Meister sind (erkennbar) „stockschwul" und beide -- dem allgemeinen Klischee entsprechend -- ziemlich kreativ veranlagt, mit sehr ausgeprägter künstlerischer Ader und dem gewissen Gefühl für das Moment und den richtigen Effekt. Genau das, was ein gutes Team von Restauratoren gerne in seiner Mitte weiß. Und wir waren (und sind) eine richtig eingeschworene Gemeinde mit super Betriebsklima.

Schließlich waren wir irgendwann in Mespelbrunn angekommen, ich setzte den Jungen vor seiner Haustür ab; er verabschiedete sich mit Handschlag, nahm seinen Rucksack vom Rücksitz und ich brach in Richtung „Lamm" auf.

Das „Lamm" ist ein Familienbetrieb, mitten im Spessart in Heimbuchental gelegen. Eine Übermischung aus Landgasthof, Hotel, Tagungsort; mit angegliedertem Tagungshotel und einer großen Wellnessoase mit Saunalandschaft und Minithermen. Küche und Weinkarte waren legendär und preiswert. Das Anwesen bestand aus mehreren historischen Gebäuden, da war ein Bachlauf mit Forellen und eine Wassermühle ... Und trotz seiner Weitläufigkeit verstand es das Personal sehr gut, eine gemütliche, heimische Atmosphäre zu erzeugen. Was mir sehr sympathisch war : Dieser Betrieb hatte immer 8 -- 10 Auszubildende in allen Berufsrichtungen rund um Hotellerie und Gastronomie. Eine Mühe, die sich heutzutage nicht mehr jeder Betrieb machte. Und er übernahm auch immer sehr viele seiner Auszubildenden.

Viele der Gebäude waren sehr alt und wir hatten in den vergangenen Jahren das Eine oder Andere an Renovierungsarbeiten und auf „alt" getrimmte Modernisierungen vorgenommen.

Ich wurde gleich am Eingang durch die Juniorchefin erkannt und begrüßt; Auch beim Personal erkannte ich meinerseits sofort nach 1 ½ Jahren vertraute Gesichter, die mir freundlich begrüßend zunickten. Nach einem kurzen Blick auf die Karte entschied ich mich für ein leckeres 4 Gänge Menü. Niemand wartete auf mich zu Hause. Ich war seit knapp drei Jahren wieder Single. Das Unwetter, bei der Fahrt hinter mir gelassen, hatte mich nun eingeholt und brach mit Gewalt über den Ort hinein. Ich war mir sicher, dass das die ganze Nacht so weitergehen würde.

Der professionelle Oberkellner erkannte mich ebenfalls wieder und machte mir basierend auf meinen Vorlieben die zum Menü passenden Weinvorschläge. Er konnte sich nach fast 2 Jahren noch an die Weine erinnern, die ich damals bei meinem letzten Aufenthalt bevorzugt hatte. Ich war wirklich tief beeindruckt, was ich ihm auch direkt sagte.

Wein und Autofahren verträgt sich nicht. Schon gar nicht bei diesem Wetter. Glücklicherweise waren noch einige Zimmer frei und so entschloss ich mich spontan, noch ein paar Tage länger über das Wochenende hier zu verweilen -- knapp 40 Kilometer von meiner Wohnung entfernt, mal so eben zwei, drei Tage blau zu machen. Im Geschäft pressierte nichts und die anderen würden auch ohne mich zu Recht kommen.

Lecker Essen und Weinchen; eine Wellnessoase; Personal, dass einem quasi jeden Wunsch von den Augen ablas. Das hatte ich mir verdient. (Irgendwie muss man sich ja von Zeit zu Zeit selbst verwöhnen und belohnen -- sonst tut das in meinem Fall ja niemand)

Der Oberkellner kümmerte sich schnell und unbürokratisch um das Zimmer; ich speiste zwei Stunden lang wirklich sehr vorzüglich; die Gaststube war gut gefüllt mit Tagungs- aber auch Essensgästen und ich beobachtete mal hier und lauschte mal da, bis ich mich müde genug fühlte und in Richtung meines Zimmers aufbrach.

Der Weg führte mich zunächst zu meinem Sharan, um die kleine Tasche mit dem „Notgepäck" zu holen, die ich immer dabei hatte, wenn ich durch die Gegend fuhr.

Als ich gerade die Tasche aus dem Wagen holte, fiel mein Blick auf den Fußbereich hinter dem Fahrersitz.

Dort lag etwas. Ich ging hin, öffnete die Seitentür um besser heranzukommen. Es war ein etwa DIN A 4 großes, in Stoffen mit afrikanischen Mustern eingeschlagenes Studienbuch, dass durch zwei schwarze Gummibänder zusammengehalten wurde.

Offensichtlich war es dem Jungen aus seinem Rucksack gefallen. Ich nahm mir vor, es ihm morgen zurückzubringen; er hatte wirklich Glück, dass ich jetzt auch hier übernachten wollte.

Aufblitzen und erneutes Grollen verrieten das bevorstehende Ende der kurzen Regenpause. Ich musste ins Haus zurückkehren, wollte ich nicht gleich völlig durchnässt werden.

Ich weiß nicht warum, aber ich nahm neben meinem Koffer, auch das Studienbuch mit in das Hotel. Eigentlich unsinnig. Es könnte ja auch im Wagen liegen bleiben. Ich wollte es morgen doch eh zurückbringen. War es unbewusste Neugier? Wahrscheinlich..

Auf dem Zimmer angekommen, nahm ich sogleich eine Dusche, schenkte mir noch ein Glas Rotwein ein und legte mich nackt auf das Bett.

Mit gegenüber war ein großer, eleganter, sich in das Zimmer perfekt einfügender Kleiderschrank mit Spiegeltüren.

Ich sah direkt in das Gesicht eines 42 jährigen erschöpften und ein klein wenig verlebten Unternehmers. Die braunen Haare erste graue Einsprengsel, konnten mal wieder einen Schnitt vertragen und sie kräuselten sich ein wenig. Die Augen waren mit Rändern versehen. Der drei Tage Bart war deutlich über seiner Zeit und wirkte eher ungepflegt.

Man konnte nicht wirklich von schlank reden. Ich hatte einen guten Bauchansatz und auch die eine oder andere wulstige Rolle oberhalb der Taille. Mit 1.85 war ich durchschnittlich groß und mit 112 Kilogramm konnte man eher von einem „Kampfgewicht" sprechen.

Automatisch und mechanisch legte ich die Hand an meinen Penis. Er war schlaff. Selbst im erigierten Zustand war er mit etwa 14 cm eher unterer Durchschnitt; auch nicht allzu breit.

Nach ein paar zaghaften Versuchen gab ich es auf. Zuviel Alkohol? Ich war wohl eher nicht in der rechten Stimmung.

War ich schön? War ich attraktiv? Beides eher nicht. Aber ich war ein Typ. Jemand den man hasste oder einfach gern haben musste. Nichts dazwischen.

Seit Silvia mich vor ein paar Jahren verlassen hatte, bin ich mit meinem Leben im eigentlichen Sinne nicht voran gekommen.

Gut, ich hatte beruflichen Erfolg. Meine Firma lief phantastisch und ich beschäftigte jetzt schon 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Aber in meinem innersten Selbst war ich zutiefst unzufrieden.

Da waren ein paar kurze Abenteuer. Auch Frauen, die ich für ein wenig Sehnsucht nach Zweisamkeit bezahlte. Aber Prostituierte, selbst die Höherklassigen, waren nicht das, wonach ich suchte. Geborgenheit und einen Ort, den ich zu Hause nennen konnte. All das bisher Erreichte -- eine reine Makulatur!

Und so lag ich nackt auf dem Hotelbett, der Wind des immer noch tobenden Unwetters spielte mit dem Fenstervorhang; ich gab mich meinem Weltenschmerz hin und bekam noch nicht mal einen hoch. Schlimmer noch -- ich hatte es nach wenigen Versuchen bereits aufgegeben. Wie tief kann ein Mensch in seinem Selbstwertgefühl denn noch sinken?

Und dabei hielt mich jeder für stark und erfolgreich; einen Macher! Schein und Sein!!!

Ich weiß nicht wie und warum, aber plötzlich hatte ich dieses Buch wieder in der Hand, löste die Gummibänder und klappte es auf.

Es war ein Skizzenbuch. Die Seiten über und über mit den unterschiedlichsten Zeichnungen bedeckt. Anatomische Studien, Portraits; Detailzeichnungen von Treppengeländern, Balustraden; Darstellungen von Fenstern und Landschaften.

Ich übertreibe nicht. Diese Zeichnungen von Bleistift, Rotstift und Kohle brauchten wirklich keinen Vergleich mit Größen wie Dürer, da Vinci oder dem frühen Picasso zu scheuen. Das war hohe vollendete Kunst mit einem unglaublichen Gefühl für Proportion und Bildaufbau. Die Zeichnungen wirkten so unglaublich detailliert und plastisch -- fast dreidimensional.

Und die Zeichnungen waren teilweise untertitelt und kommentiert. Eine schöne verschnörkelte, eher weibliche Schrift.

Ich fing an einige der Bilder zu betrachten und die dazugehörigen Texte zu lesen.

Da war eine Kohlezeichnung einer linken Brust. Die Warze gut erkennbar herausgearbeitet und sie war leicht erigiert. Unter der Warze war nur die leise Andeutung einer halbrunden Erhabenheit und darunter beginnend Rippenbögen. Offensichtlich eine Ausschnittszeichnung einer Jungenbrust -- verspielt und doch extrem realistisch

„Wo bist Du?

Warum wächst Du nicht?

Machst mich zur Frau?

Zeichnest mich mit den Attributen des weiblichen Geschlechtes?

Warum bist Du so, wie Du bist?

Warum bist Du so, wie bei einem Jungen?

Warum bei mir und niemand Anderem?"

Ein anderes Bild zeigte einen Jungen. Es war mit Rötelstift gezeichnet. Ein Junge mit rotem gekrausten Haar, Sommersprossen, einem Lachen in den Augen, die schmalen Lippen zu einem beinahe spöttischem Lächeln verzogen. Leichter Flaum umkränzte zart seine Oberlippe. Der Kopf war so gezeichnet, als ob der Junge gerade in einer Bewegung befände. Ein Bild, das fast schon Fotoqualitäten aufwies. Ein wirklich hübscher Junge von etwa 16 bis 18 Jahren. Als Untertitel ein Gedicht :

„Wenn ich dir sage „Ich liebe dich nicht"

Bitte schau mir nicht ins Gesicht

Denn nur ein Blick in meine Augen

Und du würdest mir niemals glauben

Wenn du mir sagst „du bist mir egal"

Schau mich nicht an, denn sonst siehst du die Qual

Die Qual die mein Herz zerfrisst

Weil es dich so sehr vermisst

Tag für Tag und Nacht für Nacht

Was hast du nur mit mir gemacht

Ich spiele Theater, der Star - das bin ich

Denn Liebster, natürlich liebe ich dich

Mehr als die Welt, mehr als mein Leben

Ich bin bereit dir alles zu geben

Doch du, du schlägst mir ins Gesicht

Willst meine Freundschaft und mehr nicht

Du tust mir so weh, ich glaub es kaum

Dich zu bekommen, das ist mein Traum

Ein Traum ist nicht wahr, das seh´ ich wohl ein

Doch vielleicht, nur vielleicht, wird es einmal so sein."

Ich las mir das Gedicht gleich mehrfach durch. Soviel Schmerz und Enttäuschung und dennoch Hoffen und Erdulden.

Zutiefst berührt blätterte ich weiter.

Die nächsten drei Bilder waren Bleistiftzeichnungen und nicht untertitelt. Das war auch nicht notwendig. Es handelte sich auf der einen Seite um einen Ausschnitt von einem alten Sessel aus dem Empire. Besonders gut herausgearbeitet war der Löwenfuß und an der Lehne der Löwenkopf mit fein stilisierter Mähne.

Die zweite Seite zeigte einen Ausschnitt von einem alten Kabinettschrank aus der Gründerzeit. Hier war das Augenmerk auf das Farbspiel der unterschiedlichen Holzmaserungen, deren Verlauf und die gedrechselten Säulen gelegt.

Das dritte Bild stammte wohl aus einem Schloss oder einer Burg. Es zeigte eine alte gewundene Holztreppe mit Handlauf aus dem Rokoko. Verspielt, sowohl die Intarsien (Einlegearbeiten), wie auch die ganzen Korkaden und Pütten wiedergebend. Und dennoch war die Treppe so naturalistisch gezeichnet, dass die Zeichnung jeden Makel aufzeigte und wiedergab. Vergangene Pracht!

Jetzt war auch mein berufliches Interesse geweckt. Wenn der Junge jetzt auch noch das Potential zu einem halbwegs guten Handwerker hätte, könnte ich ihn wirklich gut gebrauchen. Im Zuge von Restaurationen müssen sehr viele Bilder angefertigt werden. Wie sieht etwas aus und wie wird es künftig aussehen. Ein konkretes Beispiel an Hand der Treppe -- wir arbeiteten gerade unter anderem am Gießener Stadtschloss und meine Angestellten waren gerade dabei, eine Betontreppe aus den 50iger Jahren zu beseitigen, die so gar nicht an die frühe Gründerzeit erinnern wollte und somit bislang auch wie ein Fremdkörper aus dem Ensemble herausstach. Es gibt gute Architektur- und Zeichenprogramme. Doch die sind eher für moderne Baustile mit klaren Linien und Kantenführungen geeignet.