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Unpassende Momente 06 Neu & Komplett

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Neue Komplettfassung inklusive Ende - vorletzter Teil.
5.8k Wörter
4.62
60.4k
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„Überraschung!"

Ich öffnete die Tür und schob den Rollstuhl in das Zimmer.

Miriam saß in dem Rollstuhl und hatte drei Tüten mit frischen halben Hähnchen auf dem Schoß und grinste über beide Backen.

„Essenszeit!"

Melanie strahlte uns vom Bett aus an. Ihr weißer „Turban" leuchtete.

„Perfekt. Ihr kommt wie gerufen. Die Nudeln heute konnte eh keiner essen. Mann, habe ich einen Kohldampf."

Die letzten vier Tage waren wie im Fluge vorbeigegangen. Gestern wurde Melanie von der Intensiv- auf die Wachstation verlegt. Sie hatte glücklicherweise ein komfortables Einzelzimmer.

Es ging ihr sehr gut. Aber das linke Auge sah noch ziemlich „kriminell" aus. Der Augenarzt meinte aber, dass sich der Bluterguss rasch wieder komplett zurückbilden würde.

Wir hatten kaum Zeit für uns. Es war immer jemand dabei. Aber wenn ich ihre Hand hielt und ihr in die Augen schaute... Wir merkten beide, dass nun etwas anders war... sich etwas verändert hatte.

So gesehen war es meinerseits ein klassisches Eigentor, als ich mich für Miriam eingesetzt hatte. Aber ich wollte die Kleine nicht hängen lassen. Und ich wusste, dass auch Melanie das nicht wollte. Miriam war ihre beste Freundin. Und Miriams Eltern... vor allem den Vater... Nichts, worauf man wirklich bauen oder hoffen konnte.

Nur stellte ich mir jetzt das Zusammenleben in den nächsten Wochen als ausgesprochen schwierig vor.

Miriam sollte morgen zu uns nach Hause entlassen werden. Melanie musste damit noch mindestens eine Woche warten.

Soweit, so einfach. Aber wenn wir drei... mit den Kids und meinen Eltern zusammen das Alltagsleben meistern würden... Sehr unwahrscheinlich, dass Miriam unsere veränderte Beziehung nicht bemerken würde.

Und es war mir nur allzu bewusst... Auch wenn es nur zwei Nächte miteinander waren -- ich wollte diese Nächte mit Melanie nie wieder missen müssen. Und ich meinte damit jetzt nicht den Sex -- jedenfalls nicht nur.

Es war einfach schön, jemanden neben sich zu fühlen und zu spüren -- Vertrautheit, Nähe, Geborgenheit... das Gefühl geliebt und begehrt zu werden.

Ich wusste mit einem Mal, was mir all die Jahre gefehlt hatte. Und wenn Melanie aus dem Krankenhaus kam, wollte ich nicht mehr darauf verzichten -- im Gegenteil.

Solange Melanie es ihrerseits wollte...

War das jetzt meinerseits egoistisch gedacht?

Eindeutig „Ja"!

Ich riss mich aus meinen Gedankengängen, setzte mein schönstes Sonntagslächeln auf und schob Miriam mit dem Rolli an den Tisch, wo ich sie sogleich von den heißen Broilern befreite. Die dufteten aber auch wirklich sehr verführerisch.

Melanie hatte sich schon im Bett aufgesetzt und den Nachttisch in die passende Position gebracht. Aufstehen durfte sie noch nicht. Sie hatte Probleme das Gleichgewicht zu halten und -- wie es die Ärzte sagten -- sich im Raum zu orientieren -- Sturzgefahr!

Das hielt sie aber nicht vom Essen ab. Die Tüte war flugs auseinandergerissen. Und beinahe gleichzeitig hatte sie auch schon den Schenkel im Mund und fing an zu schlemmen.

„Jetzt setz dich endlich Roland. Sonst esse ich deinen Adler auch noch."

Miriams Worte kamen eher undeutlich raus. Sie hatte auch schon angefangen. Das Essen war heute wohl wirklich nicht so der „Bringer" gewesen.

„Ab dreihundert Gramm wird's undeutlich..."

Mellis Einwand veranlasste mich zu grinsen.

„Wer im Glashaus sitzt..."

Ich setzte mich auch an den Tisch, öffnete meine Tüte und fing auch an zu essen.

„Und du darfst morgen wirklich raus?"

Miriam nickte sichtlich begeistert.

„Jepp. Aber wenn dich dein Paps besucht, bin ich mit dabei und darf mich währenddessen jedes Mal wieder in der Ambulanz vorstellen. Ich komme dann aber gleich danach hoch, um dich zu besuchen"

„Menno. Bei mir dauert es leider noch mindestens eine Woche. Aber ich freue mich für dich. Und passt jetzt alles? Hast du noch Schmerzen?"

„Mir wird schnell schwindelig, sobald ich aufstehe. Ein paar Schritte sind drin. Aber dann brauche ich wieder Pause. Der Blutverlust -- das braucht noch ein paar Tage. Aber danke noch einmal, dass ich in dein Zimmer ziehen darf. Das Bad ist direkt daneben. Das bekomme ich hin und dein Vater schläft ja auch direkt nebendran - nur für den Fall, dass was sein sollte."

„Und da unten. Hast du da noch Schmerzen?"

„Nein Melli. Das tut nicht wirklich weh. Es ist vielmehr so, dass ich spüre, dass da noch nicht alles okay ist. Es fühlt sich in mir drinnen alles irgendwie „fremd" an. Ein komisches, ekliges Gefühl."

Plötzlich war da ein Schluchzen.

Man merkte einfach Miriam ihren inneren Zwiespalt an. Auf der einen Seite war es ihr mehr als nur unangenehm, über dieses intime Thema zu sprechen. Auf der anderen Seite wollte aber auch alles raus. Und mit wem sollte sie sonst sprechen. Da war niemand.

Nun, das waren klassische „Frauenthemen". Und ich merkte, wie mit einem mal die Stimmung von „lustig" auf „ernsthaft" umgeschwungen war.

„Soll ich euch mal einen Moment alleine lassen?"

So einfühlsam wie möglich setzte ich diesen Satz.

„Nein Roland. Ihr beiden seid eh die einzigen, mit denen ich halbwegs frei darüber reden kann. Der ganze Mist von damals ist jetzt halt wieder in meinem Kopf und tobt da herum.

Deswegen bin ich froh, dass ich morgen hier wieder raus komme. Meine Maske bröckelt. Ich liege in einem Dreibettzimmer. Und die beiden anderen bekommen immer Besuch und reden über alles Mögliche. Aber das weißt du ja, Roland.

Die eine hat jetzt die Gebärmutter rausbekommen. Sie ist achtundzwanzig und wird nie wieder Kinder bekommen können. Genauso wie das türkische Mädchen mit der übergangenen Nierenbeckenentzündung. Jetzt sind die Eierstöcke verklebt. Siebzehn -- auch sie kann keine Kinder mehr bekommen."

Tränen liefen über ihre Wangen.

„Ich hab gesehen, wie verächtlich ihr Vater mit ihr umgegangen ist, als er das gehört hatte. Als ob sie von nun an nichts mehr wert sei... nur noch Belastung für die Familie."

„Das ist bei dir doch ganz anders."

Melanie versuchte diesen unguten Gedankengang zu unterbrechen.

„Ist es das? Sie wissen noch nicht, wie das mit den Narben in zwei, drei Jahren aussehen wird. Aber sie wissen, dass ich jetzt erst einmal nicht schwanger werden darf. Ich muss jetzt erst mal ein Jahr Tabletten nehmen, um meinen Zyklus komplett zu unterdrücken.

Gut, ich habe in den letzten Jahren eh keinen Mann mehr an mich herangelassen. Ich konnte das einfach nicht mehr. Aber jetzt zu wissen, dass ich das erst einmal nicht mehr kann und darf... und vielleicht auch nie mehr können werde... Kinder zu bekommen, eine Familie zu gründen, ein normales Leben zu führen.

Das ist verdammt hart."

Ich umfasste ihre Hände und schaute in ihre Augen.

„Liebe und Partnerschaft sind zwei Dinge, die nicht zwingend etwas mit der Fähigkeit eigene Kinder bekommen zu können, zu tun haben müssen... Auch ein gutes Sexleben ist damit ausdrücklich nicht mit ausgeschlossen, denn es geht hier in erster Linie nur um die Vermeidung einer Schwangerschaft in der nächsten Zeit, bis sich alles beruhigt hat und gut verheilt ist."

Ich wartete einen kurzen Augenblick, bis ich fortfuhr.

„Ich weiß Miriam. Ich habe leichtes Reden. Ich bin nicht in deiner Situation. Aber wenn du von Familie und einem guten, verständnisvollen Partner träumst, dann musst du deinen Traum jetzt wirklich nicht begraben.

Das einzige was du tun solltest -- du musst mit den „Dämonen" deiner Vergangenheit aufräumen und endlich mal diese Sache versuchen aufzuarbeiten."

Miriams Blick wurde ganz weich. Sie hatte wieder neue Tränen in den Augen.

Melanie nickte zustimmend.

„Ich denke auch, dass mein Vater Recht hat. Und ich denke auch, dass das alles wieder wird. Leicht dahingesagt. Aber ich glaube auch an etwas Vergleichbares auch bei mir selbst.

Im Moment kann ich nicht mehr gehen. Ich kann mein Gleichgewicht nicht mehr halten und bekomme das mit der Koordination der Beine derzeit überhaupt nicht mehr hin. Da sind im Gehirn irgendwelche Verknüpfungen, die nicht mehr passen. Ich muss das wieder völlig neu „lernen".

Aber ich werde in fünf Wochen in eine Reha Klinik gehen und trainiere schon jetzt jeden Tag. Und ich weiß, dass ich in einem halben Jahr wieder auf dem Volleyballfeld stehen werde. Vielleicht bin ich dann noch nicht die „Alte", aber auch das wird kommen."

Melanie lächelte.

„Ich weiß das, denn ich habe Familie, ich habe meinen Vater, ich habe meine Freundinnen und ich habe dich... Mia, ich habe dich!

Und bei dir ist es genauso. Du hast mich. Du hast uns!"

„Meine Eltern kennen nur Arbeit. Und meinen Vater habt ihr ja kennen gelernt. Ebenso seine Prioritäten. Ich bin ein Einzelkind; also auch keine Geschwister. Meine Großeltern sind tot oder wohnen ganz weit weg von hier.

Mein Freundeskreis ist sehr überschaubar und klein. Und darüber hinaus, sind „Freundin" und „Freundin" mitunter zwei unterschiedliche paar Schuhe.

Melanie, du bist eine wirkliche „Freundin".

„Genau! Das meine ich...

Du kannst dich auf mich verlassen.

Und meinen Vater.

Und meine Familie.

Und die Mädels von unserem Team.

Du bist garantiert nicht alleine und wir sind für dich da."

Melanie sah mich fragend an. Ich nickte zustimmend.

„Melli hat Recht. Wir werden für dich da sein und dir helfen. Du bist nicht mehr länger allein. Das warst du vorher aber auch nicht."

Miriam war tränenüberströmt. Ich kramte ein paar in Mitleidenschaft gezogene Papiertaschentücher aus meiner Jacke - die trug ich offensichtlich schon eine Weile mit mir rum. Aber sie waren nicht benutzt und damit immer noch funktional.

Ich schob sie rüber und Miriam putzte sich erst mal die Nase. Dann stand sie auf, umarmte Melanie und küsste sie auf die Stirn.

Danach war ich dran. Ich konnte gar nicht anders. Ich musste sie auch umarmen. Sie war so hilflos und zerbrechlich. Mein Beschützerinstinkt war voll angesprungen. Sie zitterte.

Ich saß noch auf meinem Stuhl. Ihre Umarmung war lang und intensiv, als ob sie nie mehr loslassen wolle. Irgendwann merkte ich, dass Miriam aufgehört hatte zu zittern und sie setzte sich wieder in den Rollstuhl zurück.

Sie war regelrecht kalkweiß. Man merkte, dass sie sich eben vielleicht etwas zu viel angestrengt hatte.

-----

Es war mitten in der Nacht. Ich schlief nur leicht und wurde deswegen schnell wach. Aus Melanies Zimmer kamen Geräusche und Gesprächsfetzen. Miriam träumte wohl. Sie sprach offensichtlich im Schlaf und es klang für mich nach einem bösen Alptraum.

Ich trug heute Nacht einen Schlafanzug -- zum ersten Mal seit langem. Aber wir hatten ja auch „Besuch". Nicht dass mich Miriam nicht schon nackt gesehen hätte. Aber Sauna war die eine Sache und hier jetzt im Haus... das war die andere.

Ich stand auf und ging erst einmal kurz ins Bad, um „Wasser abzuschlagen". Ich hatte nun einmal Druck. Es war kurz nach halb drei.

Die Kids schlummerten wohlbehalten in ihren Zimmern im ersten Stock.

Leise ging ich nach verrichtetem Geschäft in Melanies Zimmer. Die Tür war nur angelehnt. Meine Augen hatten sich sehr schnell an das Halbdunkel gewöhnt. Miriam hatte die Vorhänge auch nicht komplett zugezogen.

Das Bett war zerwühlt. Die Decken lagen am Boden. Ebenso zwei Kopfkissen. Miriam hatte sichtbar im Schlaf gekämpft.

Sie trug einen dünnen Jogging Anzug mit dicken Wollsocken. Das Pink leuchtete etwas im Dunkeln.

Aber sie schlief jetzt wieder etwas ruhiger.

Vorsichtig deckte ich sie wieder zu.

Ich setzte mich in den Sessel und sah ihr einen Moment beim Schlafen zu.

Sie tat mir leid.

Ich hätte gern mehr für sie getan, wusste aber auch, dass es vielleicht ganz gut war, dass das jetzt alles wieder in ihr hochkochte. Jetzt hatte sie endlich die Chance, es endgültig aufzuarbeiten und damit abzuschließen.

Zumindest zu einem großen Teil.

Narben würden immer zurückbleiben.

Ebenso das anfängliche Misstrauen. Ihr künftiger Partner würde es schwer haben. Und er würde Geduld brauchen.

Aber das lohnte sich in jedem Fall.

Miriam war ein wirklicher Stern. Sie strahlte hell und erleuchtete jeden Raum.

Ich lächelte unwillkürlich und ein paar schöne längst vergangene Bilder zogen an meinem geistigen Auge vorbei.

Langsam wollte ich mich wieder erheben und in mein Schlafzimmer zurückkehren.

Plötzlich fing Miriam wieder an zu strampeln und um sich zu schlagen.

„Nein."

Sie presste die Worte halblaut aus sich heraus.

„Mach das nicht!

Ich will das nicht!"

Eine der Decken fiel wieder aus dem Bett.

„Nein!"

Ihre Stimme wurde lauter und panischer.

„Das darfst du nicht!"

Sie krallte ihre Hände in das Laken und begann sich hin und her zu werfen.

Das war nackte Angst. In ihrer Stimme war Panik

„Nein das darfst du nicht! Hör auf damit! Das tut weh!"

Sie schrie es jetzt förmlich aus sich heraus.

„Hör auf! Das tut weh!!!

Lass das!

Nimm nicht die Flasche!

Hau damit ab!!!

Nein!

Vati! Nein!!!

Ich will nicht!

Mamiii, hilf mir doch!

Oh, ich hasse dich!

Du bist ein Arschloch!"

Sie warf sich mit dem Körper hin und her; immer noch tief schlafend...

„Aufhören. Vati! Hör doch auf! Lass das endlich sein.

Nein!?!? Nicht die Schuhbürste... Vati, nein. Neeeein..."

Ihre Stimme war jetzt nur noch ein halbersticktes Flehen und ich hatte mehr als genug gehört.

Ich stand auf, machte die Nachtischlampe an und fing an zu schütteln und sie anzusprechen. Ich war bestimmt zwei, drei Minuten zu Gange.

Sie träumte, schrie um Hilfe und ließ sich nicht wecken.

„Miriam... Miriam... Wach auf."

Ich schüttelte stärker und bemerkte endlich, dass sie langsam zu sich kam.

„Miriam, nur ein böser Traum. Beruhige dich"

Das große Licht ging an.

Sabine und Achim standen in der Tür. Meine beiden Kleinen. Anscheinend waren sie durch den Krach wach geworden.

„Papa hör auf.

Bitte lass sie los."

Achim flehte mich mit seinen acht Jahren an.

Sabine hatte ihr Handy in der Hand und telefonierte.

„Sabine. Achim. Es ist nicht so, wie es aussieht."

„Nein?"

Sabine Stimme war irgendwo zwischen Hoffnung und Zweifel angesiedelt.

„Sabine, Achim ... Miriam hatte gerade einen ganz fürchterlichen Alptraum. Und dabei hat sie ganz fürchterlich geschrien. Das müsst ihr mir glauben. Seht doch -- sie ist immer noch nicht ganz bei sich... "

„Stimmt das?"

Meine Mutter stand plötzlich auch in der Tür und schob sich an den Kindern vorbei. Sie musste gerade aus dem Bett gescheucht worden und direkt herübergekommen sein. Sabine -- das Handy!

„Was ist hier los? Warum seid ihr alle hier?"

Miriam kam nur sehr langsam zu sich und wirkte verwirrt.

Meine Mutter drehte sich kurz um und rief nach oben.

„Eberhardt, ruf bitte nochmal die Polizei an. Keine Einbrecher. Nur ein Alptraum."

Ich wandte mich wieder Miriam zu.

„Mia. Du hast im Schlaf gekämpft und geschrien. Deswegen sind wir alle hier. Und du wolltest und wolltest einfach nicht aufwachen."

Ich streichelte beruhigend ihre Schulter.

Meine Mutter erfasste die tatsächliche Situation sehr schnell und vollkommen. Mein Vater kam nun auch in das Schlafzimmer.

„Papa, tu mir bitte den Gefallen und geh mit Achim und Sabine in die Küche. Macht eine große Kanne Tee. Wir kommen gleich nach. Und dann unterhalten wir uns ein wenig."

Ich sah, wie verstört die Kinder waren. Achim war acht. Sabine zehn.

Auch Miriam war noch unter dem Schock des eben Geträumten.

Wir mussten uns einfach einen Moment zusammensetzen, etwas reden und alle zusammen begreifen was da gerade passiert war.

Vor allem war mir aber auch wichtig, dass die Kinder verstanden, dass ich Miriam nichts getan hatte. Denn, dass Miriam gerade eine wahre Hölle durchlebt hatte... das war ihrer Stimme mehr, als nur anzuhören.

Ich war selbst noch ziemlich geschockt und unter dem Eindruck dessen, was ich gerade gesehen hatte. Ich merkte, dass meine Stimme noch bebte.

Ich musste mich einfach wieder selbst zur Ruhe zwingen.

„Kommt Kinder, gehen wir schon mal in die Küche vor. Ich muss auch noch die Haustür zu machen."

Mein Vater legte seine Arme beschwichtigend um die Schultern meiner beiden Kleinen und ging mit ihnen langsam, leise und beruhigend auf sie einredend, die Treppe hoch.

Meine Mutter blieb. Sie hatte sich, als sie rüberkam, nur schnell einen Morgenmantel übergeworfen, den sie jetzt etwas richtete.

„Ich soll geschrien haben?"

Miriam sah uns fragend an und ließ ihren Blick über das total zerwühlte Bett wandern. Das Laken war zerrissen. Ungläubig betrachtete sie die herausgerissenen Stofffetzen, die sie immer noch in der Hand hielt.

„Ja mein Spatz. Das hast du."

Meine Mutter ergriff das Wort, bevor ich das machen konnte.

„Sabine hat uns angerufen. Wir dachten erst an Einbrecher. Wir hörten im Hintergrund die Schreie. Deswegen haben wir auch sofort die Polizei gerufen und sind gleich hierhergekommen.

Ich konnte über Sabines Handy wirklich hören wie du um Hilfe gerufen hast und auch teilweise, was du gerufen hast.

Ich will dich nicht erschrecken, aber wir konnten dich bis in unser Haus hören."

Meine Mutter blickte mich kurz an und schüttelte unmerklich leicht den Kopf. „Nicht jetzt" -- eine stumme Botschaft, die gleich bei mir ankam.

„Kleines, du hattest regelrecht eine Todesangst. Deswegen sind die Kinder auch so verstört. Aber mach dir deswegen keine Sorgen oder Vorwürfe."

Miriam wirkte jetzt sehr eingeschüchtert.

„Was habe ich denn im Schlaf geschrien?"

Jetzt war es an mir.

„Ich denke Mia, das besprechen wir später in aller Ruhe. Ich gebe auch unumwunden zu, dass mich dein Traum ziemlich aus meiner Balance herausgebracht hat."

„Wahrscheinlich weil es kein Traum war, sondern weil Miriam im Schlaf etwas sehr Reales durchlebt hat... etwas, dass sie schon einmal im richtigen Leben durchleben musste? Stimmt´s?"

Miriam nickte und war mit einem Mal völlig teilnahmslos -- beinahe wie eingefroren. Meine Mutter hatte es wieder auf den Punkt gebracht.

„Kind, du bist ja völlig verschwitzt."

Ich hatte es auch gerade bemerkt und war schon bereits an Mellis Kleiderschrank. Dort holte ich einen dicken weißen Frotteebademantel raus und gab ihn an Miriam, die immer noch etwas verloren auf dem Bett saß.

Meine Mutter setzte sich kurz daneben. Nahm ihre Hand und drückte sie.

„Sind die Erinnerungen noch da?"

Miriam nickte und hatte Tränen in den Augen.

„Verbanne sie für einen Moment. Wirf dir den Bademantel kurz über und wir gehen kurz hoch in die Küche.

Das ist wichtig wegen der Kinder. Die müssen sehen, dass es allen gut geht und alles wirklich nur ein sehr, sehr böser Traum war.

Auch wenn wir drei wissen, dass das eben mehr als nur ein Traum war."

Meine Mutter stand auf und zog Miriam zu sich hoch, hakte sie unter und stützte sie ein wenig. Miriam war immer noch wackelig auf den Beinen.

Gemeinsam brachen wir in Richtung Küche auf, als es plötzlich Sturm klingelte...

„Das wird bestimmt die Polizei sein. Die sind dann wahrscheinlich trotzdem gekommen, um mal nach dem Rechten zu sehen..."

Beinahe entschuldigend blickte meine Mutter uns an.

„Wir hatten nach dem Anruf von Sabine und den Schreien im Hintergrund wirklich erst mal mit was Schlimmsten gerechnet. Und dass die Kids dann zu euch runtergehen, war so auch nicht beabsichtigt. Ich hatte Sabine gesagt, sie sollten beide ins obere Bad gehen und sich einschließen. Ich dachte in dem Moment wirklich an Einbrecher."

„Verstehe ich Mutter. Geht schon mal vor in die Küche. Ich öffne die Tür und komme dann mit der Polizei nach. Die werden euch sicher alle sehen wollen und auch, dass es euch gut geht."

Ich öffnete die Haustür. Eine Beamtin Mitte vierzig und ein deutlich jüngerer Kollege standen vor der Tür.

„Guten Abend. Mein Name ist Roland Unverdorben. Das Ganze ist ein Missverständnis und wurde durch einen sehr extremen und überaus lauten Alptraum ausgelöst, den eine sehr gute Freundin meiner Tochter hatte. Sie übernachtet bei uns.

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